Mangelhafte Versorgung von Jugendlichen mit Fehlbildungen
Kinderchirurgen fordern strukturierte Übergabe in die Erwachsenenmedizin


Berlin, November 2013 – Kinder mit schweren Fehlbildungen fallen beim Übergang in das Erwachsenenalter häufig aus der medizinischen Versorgung heraus. Dies kann ihren Gesundheitszustand massiv und dauerhaft verschlechtern und damit ihre Chancen auf ein weitgehend selbstbestimmtes Leben vermindern. Wie die „Transition", der Übergang chronisch kranker Jugendlicher von der kinderchirurgischen Versorgung in die Erwachsenenmedizin, gelingen kann, diskutieren Experten auf einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) am 4. Dezember 2013 in Berlin.


Fehlbildungen des Enddarms und des Afters, eine nicht durchgängige Speiseröhre oder ein offener Rücken: Über sieben Prozent aller Kinder, das entspricht etwa 49 000 Neugeborenen, kommen hierzulande jedes Jahr mit schweren Fehlbildungen zur Welt. Dank aufwendiger kinderchirurgischer Operationsverfahren und moderner Intensivmedizin hat sich die Überlebensrate betroffener Kinder in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend verbessert. Dennoch bleiben die Patienten häufig lebenslang behindert und leiden teilweise unter beträchtlichen Störungen wie Urin- und Stuhlinkontinenz, Schluckstörungen oder Krämpfen.


Bis zum Erwachsenenalter tragen fachübergreifende Betreuungskonzepte durch Kinderchirurgen, Kinderärzte, Sozialpädiater sowie Kinder- und Jugendpsychiater dazu bei, dass sich die Betroffenen – trotz aller Einschränkungen – möglichst normal entwickeln und die Schule besuchen können. „Doch die Pubertät ist eine Sollbruchstelle des gut eingespielten und strukturierten kinderchirurgisch-pädiatrischen Betreuungskonzepts", erläutert Professor Dr. med. Bernd Tillig, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH). „Gerade in dieser Phase, in der die jungen Menschen, verstärkt durch ihre Behinderung, besonders verletzlich und schwer zugänglich sind, müssen sie den Übergang vom vertrauten Kinderchirurgen zu fremden Spezialisten bewältigen", erklärt der Experte. Dies gelänge oftmals schlecht oder gar nicht.


„Häufig brechen die jungen Patienten ihre Therapie ab, gehen nicht mehr zur Physiotherapie und hören auf, ihre Medikamente zu nehmen", berichtet Tillig. Damit gingen mühsam errungene Therapiefortschritte – auch im Hinblick auf Alltag, Schule und Berufsausbildung – wieder verloren. „Teilweise für immer", betont Professor Tillig. Der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Neugeborenenchirurgie und Kinderurologie am Vivantes Klinikum Berlin verweist unter anderem auf die Bewertung des Sachverständigenrats Gesundheit, nachdem die Betreuung chronisch kranker Jugendlicher in der Übergangsphase in Deutschland „mangelhaft" ist. „Es besteht dringender Handlungsbedarf", so Tillig.


Die DGKCH fordert, Jugendliche beim Übergang in die Erwachsenenmedizin mit flächendeckenden Transitionskonzepten, wie etwa geeigneten wohnortnahen Weiterbetreuungseinrichtungen, zu unterstützen. Im Rahmen einer Pressekonferenz am 4. Dezember 2013 in Berlin formuliert die Fachgesellschaft ihre Forderung an Gesetzgeber und Kostenträger nach Strukturen, die den Übergang in die Erwachsenenmedizin professionell begleiten können.


Die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie

Gegründet im Jahr 1963, schafft die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) bis heute Grundlagen für eine bestmögliche kinderchirurgische Versorgung in Deutschland. Dazu gehören Neugeborenenchirurgie, allgemeine Kinderchirurgie und Kindertraumatologie ebenso wie Kinderurologie. Die DGKCH vertritt das Fach in allen wissenschaftlichen, fachlichen und beruflichen Belangen. Derzeit praktizieren hierzulande Fachärzte für Kinderchirurgie in mehr als 80 kinderchirurgischen Kliniken, Abteilungen und als Niedergelassene. Kinderchirurgie gehört in die Hände von Kinderchirurgen. Denn ihre Patienten sind keine kleinen Erwachsenen.

Pressekontakt: presse(at)dgkch.de