Dietmar Roesner zum 75. Geburtstag

Herr Professor Dr. med. habil. Dietmar Roesner hat am 30. April 2017 sein 75. Lebensjahr vollendet. In Dresden geboren legte er 1960 am Gymnasium Dresden Plauen sein Abitur ab und begann im Anschluss mit dem Studium der Humanmedizin in Leipzig. Nach erfolgreicher Beendigung des Grundstudiums wechselte er an die Medizinische Akademie „Carl Gustav Carus" nach Dresden und beendete hier 1967 erfolgreich das Studium mit Erlangung der Ärztlichen Approbation. Seinem Interesse für ein operatives Fachgebiet folgend begann er im gleichen Jahr die Weiterbildung zum Facharzt für Chirurgie an der Chirurgischen Klinik der Medizinischen Akademie Dresden unter Leitung von Prof. Dr. med. R. Kirsch. Durch die enge Zusammenarbeit mit ihm - Prof. Roesner war lange Zeit Stationsarzt auf der „Chefstation" – hat er in seinen ersten chirurgischen Lehrjahren eine wesentliche Prägung durch ihn erfahren. Nach dessen Tod im Jahre 1971 führte er die Ausbildung unter Prof. Dr. med. H. Wolf fort und legte 1972 die Prüfung zum Facharzt für Chirurgie erfolgreich ab. In diesen Jahren der Ausbildung hatte Prof. Roesner als chirurgischer Assistent durch das tägliche Dienstgeschehen regelmäßig auch operative Eingriffe an Kindern durchzuführen. Er entwickelte großes Interesse am „Operieren" an Kindern und erkannte, dass sich die chirurgischen Strategien bei den Operationen am wachsenden Organismus durchaus von denen des Erwachsenenalters unterscheiden. Folgerichtig entschied sich Prof. Roesner, eine zusätzliche kinderchirurgische Weiterbildung zu beginnen, die er 1979 mit der Prüfung zum Facharzt für Kinderchirurgie beendete. Seit dieser Zeit war er in der Klinik für Chirurgie der Medizinischen Akademie Dresden als Oberarzt tätig.

Nachdem Prof. Dr. med. H. Wolf nach Berlin wechselte um dort die Leitung der Chirurgischen Klinik der Charitè zu übernehmen, war er zunächst bei Prof. Dr. med. G. Lauschke und später bei Prof. Dr. med. W. Schubert tätig. In diesen Jahren wirkte Prof. Dr. med. Roesner direkt mit an der Etablierung der Kinderchirurgie als eigenständiges Fachgebiet. Die Einsicht, dass viele angeborene Fehlbildungen trotz gegebener Indikation für eine chirurgische Korrektur nicht als Notfälle sofort nach der Entbindung operiert werden müssen, führten zu einer tief greifenden Verbesserung der Überlebensrate dieser Kinder. So war beispielsweise in den sechziger und frühen siebziger Jahren die angeborene Ösophagusatresie mit einer aus unserer heutigen Sicht erschreckend hohen Letalität assoziiert. Nach Einführung der Operation mit aufgeschobener Dringlichkeit und der damit verbundenen präoperativen Konditionierung der Neugeborenen änderte sich dies grundlegend. Heutzutage stellt ein Todesfall nach Ösophagusatresie die absolute Ausnahme dar und ist dann meist nicht allein im Zusammenhang mit dieser Fehlbildung selbst zu sehen.

Frühzeitig zeigte Prof. Roesner nicht nur Interesse an der Chirurgie sondern verband auch immer wissenschaftliche Fragestellungen mit aktuellen Themen des Fachgebietes. Bereits während der Studentenzeit führte er in Tierversuchen reihenweise Teil-Appendektomien an Ratten durch, wobei Fragen der Wundheilung unter zytostatischer Therapie geklärt werden sollten. Es konnte gezeigt werden, dass diese Behandlung keinen wesentlichen Einfluss auf die Wundheilung ausübte. Unter Prof. Kirsch war er in Bearbeitung der Thematik der von Prof. M. von Ardenne entwickelten Krebsmehrschritt-Therapie eingebunden. So war es nur folgerichtig, dass dieses Interesse zur Promotion und schließlich Habilitation führte. Schwerpunkt der Promotion war jedoch nicht eines der genannten Themen, sondern Prof. Roesner untersuchte dafür wiederum in Tierversuchen die Funktion der Milz. In der Abteilung Experimentelle Chirurgie befasste er sich insbesondere mit den Möglichkeiten, einen Milzverlust zu kompensieren bzw. den Einfluss einer Milzteilresektion oder einer autologen Milzteiltransplantation auf die Funktion der Milz im Organismus. Diese Arbeiten wurden 1988 in seiner Habilitationsschrift zusammengefasst. 1993 wurde ihm die Venia legendi für das Fach Kinderchirurgie an der neu gegründeten Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden erteilt und es folgte die Ernennung zum Privatdozenten.

Die Leitung der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie des Universitätsklinikums übernahm Prof. Roesner ebenfalls 1993 zuerst kommissarisch und nach seiner Berufung zum Professor für Kinderchirurgie und Lehrstuhlinhaber im Jahr 1994 als Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie. Im Jahr 2010 beendete Prof. Roesner seine aktive berufliche Tätigkeit.

Es scheint nun nahezu selbstverständlich, dass sich zu einem derartigen fachlichen Engagement ebenfalls entsprechende berufspolitische bzw. sozialpolitische Aktivitäten hinzugesellen müssen. So war Prof. Roesner zusammen mit seinem langjährigen Chirurgenkollegen und späteren ersten Präsidenten der Sächsischen Landesärztekammer Prof. Dr. med. W. Dittrich direkt an der Reorganisation der ärztlichen Selbstverwaltung im Freistaat Sachsen – dem Aufbau der Sächsischen Landesärztekammer – beteiligt. Bei den ersten Kammerwahlen für Sachsen fungierte er als Wahlleiter.

Dem Fachgebiet der Kinderchirurgie entsprechend zeigte Prof. Roesner immer ein besonderes Engagement, wenn es um die Problematik chronisch kranker Kinder oder missbrauchter, misshandelter und vernachlässigter Kinder ging. Anfang der 90er Jahre war er über mehrere Jahre Mitglied der zeitweiligen Arbeitsgruppe der Bundesärztekammer für Kindeswohlgefährdung. Im Ergebnis dieser Arbeit erfolgte die Überführung dieser Kommission auf die einzelnen Landesärztekammern des Bundes. Seit dieser Zeit war er zunächst Vorsitzender dieser Kommission in Sachsen und später erfolgte in diesem Gremium.

Zur Unterstützung chronisch kranker Kinder gründete Prof. Roesner zusammen mit Prof. Wunderlich aus der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Dresden und dem Vertreter des damaligen Karstadt-Konzerns in Dresden den „Regenbogen"-Verein, der nach Gründung der „Kinderhilfe e. V." in Dresden mit dieser fusionierte, da eine analoge Zielstellung beider Institutionen ihre parallele Existenz in Frage stellte. Unter Federführung von Prof. Dr. med. M. Gahr war er seit dieser Zeit Vorstandsmitglied des fusionierten Vereins. Sichtbarer Ausdruck dieses Engagements ist beispielsweise der Bau des Elternhauses am Universitätsklinikum Dresden.

Es erscheint uns nur allzu verständlich, dass Prof. Roesner, der selbst die Entwicklung der Kinderchirurgie zu einem eigenständigen Fachgebiet in Deutschland mitgestaltet hat, immer darauf bedacht war, die Kinderchirurgie als ein kleines aber sehr vielschichtiges Fachgebiet strukturell und inhaltlich zu etablieren. Damit in enger Verbindung stehen die Repräsentation des Faches und die integrative Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften. So war er seit 1999 bis 2005 Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie. Seit 2003 war Prof. Roesner Mitglied des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie und seit 2006 deren Vizepräsident und Präsident 2009/2010. Außerdem ist er Mitglied mehrerer regionaler Fachgesellschaften.

Prof. Roesner tritt für die Ganzheitlichkeit des Fachgebietes Kinderchirurgie ein, wodurch eine strikte Ausrichtung der Medizin am Kind auf die Belange und Rechte des Kindes orientieret wird. In diesem Zusammenhang ist auch sein engagiertes Auftreten als akademischer Lehrer und Ausbilder zu verstehen. Seit Beginn und bis zur Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit war er Vorsitzender der Prüfungskommission für das Fachgebiet Kinderchirurgie in Sachsen. Er war lange Jahre Mitglied der Studienkommission der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und Mitglied der Promotionskommission für operative Fächer.

Jeder, der seine Ausbildung genossen hat, wird seine geduldige aber auch konsequente Führung im Operationssaal zu schätzen wissen. Bei ihm haben wir gelernt, dass bei allem chirurgischen Enthusiasmus gerade im Kindesalter die strenge Indikationsstellung für eine chirurgische Intervention Grundlage unseres Handelns und des Erfolges darstellt. Der Mut zur operativen Zurückhaltung ist auch eine chirurgische Tugend. Jeder von uns wird sich solch einfach wirkender „Lehrsätze" erinnern, wie zum Beispiel „Chirurgie ist immer eine Frage der richtigen Schicht.", die aber letztlich präzise den Punkt treffen.

In unserer Klinik war Prof. Roesner bei den kleinen Patienten, den Ärzten und Schwestern hoch geachtet. Sein temperamentvolles Auftreten und seine Diskussionsfreude waren für alle, die mit ihm langjährig verbunden waren, stets ein belebendes Element. Dabei hat er nie, seine manchmal verlegen liebevolle und einfühlsame Weise mit Kindern umzugehen, verloren und ist wohl so im Herzen jung geblieben. Für seine Zukunft wünschen wir Prof. Roesner nur das Beste.

G. Fitze und alle Mitarbeiter der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie des Universitätsklinikums Dresden