Prof. Dr. med. Kurt Gdanietz wird 90 Jahre

Er ist unvergessen, auch wenn er seit 25 Jahren im Ruhestand ist. So ganz stimmt dies nicht, denn er hat noch über mehrere Jahre in der Praxis eines Kollegen ambulante Operationen durchgeführt, und er beobachtet bis heute das Leben der Kinderchirurgie in Deutschland und besucht gelegentlich Kongresse.

Die Anfänge waren für ihn hart. Er wurde am 24. Januar 1928 in Danzig geboren (interessant wäre es nachzuverfolgen, warum er gerade Gdanietz heißt) und wuchs im „Polnischen Korridor“ zweisprachig auf. Im Gespräch spielte er dies gerne herunter und meinte, er habe „Straßenpolnisch“ gelernt.

Immerhin befähigte ihn dies, später wissenschaftliche Vorträge vor polnischem Publikum in deren Sprache zu halten!

Als er 11 Jahre alt war, zog die Familie nach Berlin. Hier bestand er sein Abitur und begann nach einer handwerklichen Ausbildung (bis zum Gesellen!) das Medizinstudium an der Humboldt-Universität.

Dem Staatsexamen 1955 folgte die Promotion bei dem Endokrinologen Hohlweg 1957. Den Grundstock für sein umfassendes chirurgisches Rüstzeug legte er im Kreiskrankenhaus Lübben, auch in den Fächern Gynäkologie, Urologie und Unfallchirurgie. 1961 wurde er Facharzt für

Chirurgie, ein Jahr später Oberarzt.

Ab dem Frühjahr 1962 arbeitete er in der Kinderchirurgischen Klinik Berlin Buch bei Ilse Krause. Auch hier wurde er bald Facharzt für Kinderchirurgie und Oberarzt. 1980 trat er die Nachfolge von Ilse Krause als Direktor der Kinderchirurgischen Klinik Berlin-Buch an.

1973 habilitierte er sich mit einer Arbeit über Gewebekleber, 1977 folgte die Berufung als Honorardozent und 1984 als Honorarprofessor an der Akademie für Ärztliche Fortbildung der DDR.

Berufspolitisch tat er sich hervor als Schatzmeister der Berliner Chirurgischen Gesellschaft sowie als Vorsitzender der Sektion Kinderchirurgie. Er war Vorsitzender der Zentralen Gutachterkommission bei der Zentralstelle für Ärztliches Gutachterwesen. Mit der Gesellschaft für Chirurgie der DDR führte er die Verhandlungen, die in die Gründung einer eigenständigen Gesellschaft für Kinderchirurgie der DDR mündeten, und wurde deren erster Vorsitzender von 1987 bis 1990. Im April leitete er das Aufgehen von deren Mitgliedern in die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie ein, sodass im November 1990 beide Gesellschaften vereinigt werden konnten. Er ist Mitglied und Ehrenmitglied in zahlreichen nationalen und internationalen Gesellschaften.

Sein wissenschaftlicher Eifer fand seinen Niederschlag in zahlreichen Vorträgen und weit über 100 Publikationen. Höhepunkte waren die Herausgabe des Buches „Kinderchirurgie für die klinische Praxis“ (1988, mit W. Tischer) und die Erarbeitung des kinderchirurgischen Thesaurus in: Maxim Zetkin und Herbert Schaldach „Wörterbuch der Medizin“, wobei er mich durch die Aufforderung zur Mitarbeit ehrte.

Gdanietz’ Publikationen sind eng an aktuelle Probleme und Bedürfnisse angelehnt und bringen oft neue Ideen hervor. Ein früher Artikel über „Die angeborene Duodenalstenose“ ersparte mir selbst weitere Bemühungen, die Darmfehldrehungen zu verstehen. Seiner Habilitationsschrift folgend, wurde in unserer Klinik sehr häufig Gewebeklebung vorgenommen; er selbst publizierte den Klebeverschluß von ösophagotrachealen Fisteln. Das „eingenähte Tracheostoma“, das einen späteren Verschluss erleichterte, war bei uns Standardmethode.

Zwei Kollegen haben sich unter seiner Leitung habilitiert, 33 führte er zur Promotion. Charakteristisch ist sein überlegtes Vorgeben bei der Themenvergabe: Einer Zahnärztin gab er zunächst als Thema den Wilms-Tumor, er änderte kurz darauf das Thema in das Pierre-Robin-Syndrom – die Mundhöhle war ihr vertrauter.

Gdanietz’ berufliche Tätigkeit fand nahezu ausschließlich in der Zeit und vor Ort der im 20. Jahrhundert bereits zweiten Diktatur in einem Teil Deutschlands statt. Für eine Karriere auf höherer Ebene bedurfte es einiger Geschicklichkeit, um „in ideologisch vermintem Gelände“ (Zitat Fritz Meissner 1998 bei anderer Gelegenheit) weder zu Fall zu kommen, noch das Gesicht zu verlieren. Dies ist ihm glücklicherweise gelungen.

Was kann man einem erfolgreichen Kinderchirurgen zum 90. Geburtstag wünschen? Er möge sich jeden Morgen auf den anbrechenden Tag freuen, mit annehmbarer Gesundheit über neue Erfahrungen staunen und sie alsBereicherung des Lebens erkennen können.

Götz Borgwardt (Berlin)