In Memoriam Dr. med. Dieter Booß (1937- 2017)
ehemaliger Chefarzt der kinderchirurgischen Klinik in Bremen

Am 23. Juli 2017 ist Dr. med. Dieter Booß im Alter von 80 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben. Seine Ehefrau Imke, seine Kinder, die einstigen Klinikmitarbeiter und auch wir, die Freunde, trauern gemeinsam um ihn, einen geliebten Ehemann, einen gütigen Vater, einen verehrten Vorgesetzten und einen treuen Weggefährten. Wir verbeugen uns vor dem Toten und kondolieren der Witwe.

Dieter Booß durfte die kinderchirurgische Klinik in Bremen von 1976 bis 1996 gemeinsam mit mir und von 1996 bis 2002 alleine leiten. Er hat das fachliche Erbe unseres Chefs, des Altmeisters der deutschen Kinderchirurgie, Herrn Professor Rehbein, am Leben erhalten und die Klinik erfolgreich weiter geführt. Mit 65 Jahren, im März 2002, ging Dieter Booß in den wohlverdienten Ruhestand. Rund zehn Jahre später kam es zu gesundheitlichen Irritationen. Ein Malignom trat auf.

Die Bitte, dem Leidenden das 9. Lebensjahrzehnt doch noch wenigstens zum Teil in Frieden zu ermöglichen, ging leider nicht in Erfüllung. Seinen 80. Geburtstag jedoch konnten wir in Bremen in größerer Runde gemeinsam begehen. Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe. Kurz vor seinem Tode bestand für mich die Möglichkeit, noch einmal mit Ihm zu telefonieren - quasi Abschied zu nehmen. Er wusste, wie es um ihn stand.

Am 16.03.1937 in Halle/Saale geboren, wuchs Dieter Booß in Aschersleben auf. Nach Absolvierung der dortigen Oberschule studierte er zuerst an der Humboldt-Universität von Berlin, dann in Göttingen Medizin. 1964 erhielt er die Approbation und promovierte noch im gleichen Jahr zum Dr. med.. Über die Krankenhäuser von Berlin-Moabit und Berlin-Zehlendorf kam er 1967 nach Bremen in die Kinderchirurgie zu Rehbein. 1970 erhielt er die Facharztanerkennung für Chirurgie und fünf Jahre später die für Kinderchirurgie. Gleichzeitig wurde er neben mir zum Oberarzt der Klinik ernannt.

Veröffentlichungen in Fachzeitschriften waren unter seinem Chef Rehbein obligatorisch. International gehörten Vorträge, der Besuch von Symposien und Kongressen dazu. Dadurch bekannt geworden, stieg Herr Booß zum Kooperator mit an uns interessierten Kollegen in Japan, Australien und Saudi-Arabien auf. Gegenseitig besuchte man sich.

Leider gelang es nicht, das Ziel einer Habilitation zu erreichen. In Schweden geplant, experimentell vorbereitet und unterstützt, musste das Unternehmen letztendlich aus zeitlich-familiären Gründen wieder abgesagt werden. Schade!

Fachlich imponierte Herr Booß durch ein erfolgreiches, diffiziles, gewebsschonendes Operieren, breit gefächert auf den Gebieten der Kindervisceral- und -thoraxchirurgie, der Kinderurologie und der Kinderunfallchirurgie. Hinzu kamen Eingriffe am Hydrocephalus, am offenen Rücken, am persistierenden Ductus Botalli sowie in der Onkologie. Zu seinem Spezialgebiet gehörte die Behandlung der angeborenen Fehlbildungen am Oesophagus.

Menschlich stand sein kollegiales Verhalten in hohem Ansehen. Die Zusammenarbeit mit ihm (wir hatten wie schon erwähnt die Klinik nach Rehbeins Tod von 1976 bis 1996 gemeinsam geführt), beschrieb ich in meiner Laudatio zu seinem 80. Geburtstag vor wenigen Wochen im European Journal of Pediatric Surgery, Vol. 27, Nr. 3/2017 wie folgt:          

„Unser Teamwork hat vorbildlich funktioniert, eine Situation, die in Deutschland zu damaliger Zeit nur selten oder gar nicht geklappt haben soll. Wir verstanden uns ausgezeichnet. Querelen, Reiberein, Bösartigkeiten, Missgunst oder Streitigkeiten sind nicht vorgekommen. Finanziell wurde von allen Privateinnahmen jedem die Hälfte zugesprochen. Dass dieses Gentlemans Agreement so reibungslos über die Bühne ging, war zum Großteil Dieter Booß zu verdanken, der in seiner freundschaftlichen, verbindlichen Art, mit seiner Ruhe und Hilfsbereitschaft immer für den Ausgleich zum ’Frieden unter den Geistern’, unter dem gesamten Klinikpersonal sorgte. Alle schätzten ihn.“

Schwer setzte ihm anfangs das Schicksal seines privaten Lebens in Bremen zu. Zwei unglückliche Ehen und die Vaterschaft von zwei daraus hervorgegangenen Kindern drohten ihn aus der Bahn zu werfen. Viele halfen ihm, darüber hinweg zu kommen. Das Ganze änderte sich erst, als eine Kollegin aus der Bremer Kinderklinik in sein Blickfeld trat. Man fand sich zusammen, heiratete und gründete eine vorbildliche, bis heute glückliche Patchwork-Familie, d. h. eine Familie mit seinen, ihrem und einem gemeinsamen Kind.

Heute ist der Nachwuchs erwachsen, hält weiterhin fest zusammen und hilft der Mutter, wann immer es notwendig wird. Besonders intensiv formierte sich das Miteinander, als Dieter Booß schwer erkrankte und zahlreiche Operationen und konservative Maßnahmen über sich ergehen lassen musste. Sein fester Wille, den Kampf gegen das Schicksal nicht aufzugeben, nicht zu verzagen, durchzuhalten und den Seinen so lange wie möglich zur Seite zu stehen, blieb bis zuletzt ungebrochen. Wenige Monate vor seinem Tod unternahm er noch mit den Seinen größere Urlaubsreisen bis hin ins Ausland. Dabei vergaß er uns in München/Germering nicht. Zum letzten Mal weilte er im Frühjahr 2017 als Gast bei uns zu Hause.

Imke Gätjen-Booß, seiner Gattin, gehört unsere größte Anteilnahme und Hochachtung. Sie war es, die als Medizinerin ihrem Mann die letzten Monate, Wochen, Tage und Stunden zu Hause erträglich machte und ihn liebevoll, gekonnt und hilfreich bis zum bitteren Ende zur Seite stand.

Mir bleibt nun nichts anderes übrig, als für meinen ehemaligen treuen Kollegen und guten Freund Dieter Booß die Hände zu falten, ihm nochmals für alles zu danken und letztendlich um eine bleibende Erinnerung zu bitten.

 

Gerd von der Oelsnitz